Hallo Berthold, hallo Reinhold,
als Postkarte oder Ausstellungsbild ist Reinholds Version die bessere Wahl, keine Frage.
Der ehemalige Bauhandwerker in mir findet das erste Bild deutlich spannender. Das ist eine Frage der Details.
Das der Turm kippt konnte dunnemals passieren, man hat ja vorher keine Plattendruckversuche gemacht und wusste also nicht wie tragfähig der Untergrund war. So weit so gut oder schlecht. Das Haus am linken Bildrand offenbart allerdings einige weitere Fehler. Geht man davon aus, dass dieses Haus das dazugehörige Pfarrhaus ist, dann sollte es doch zur Kirche passen, auch wenn es ein paar Jahrhunderte später gebaut wurde. Tut es ma' gar nicht. Ist zwar auch ein Backstein- oder Klinkerbau und damit auf den ersten Blick in Ordnung, aber sowohl Mauerverband, Fensterstürze und Dachüberstand sind anders. Das sieht aus wie Chili-schokolade schmeckt.
Die Kirche wurde im Märkischen Verband gemauert, das Wohnhaus im Kreuzverband. Beim Turm wurde kann ich den Verband nicht erkennen, wahrscheinlich weil beim Neuverfugen soviel Zementschleier über die Mauersteine geschmiert wurde, dass kein ausreichender Kontrast zwischen Steinen und Fugen erkennbar ist. Die Kirche hat die gleiche Entfernung, dort klappt's, also ist das kein photographisch-technisches Problem sondern ein bauhandwerkliches.
Der Giebel hat keinen Überstand. Das sieht im Vergleich zur Kirche einfach falsch aus. Möglicherweise hat allerdings die rechte Seite der Kirche auch keinen, dann wäre die Kritik hier unangebracht.
Die Bögen über den Fenstern bei der Kirche sind Rundbögen, beim rechten Haus sind es scheitrechte Bögen. Sieht nicht so aus als hätte es damals schon Normfenster gegeben. Somit scheidet die Kosten-Entschuldigung aus. Runde Bögen hätten besser dazu gepasst.
Worauf ich mit dem langatmigen Geschwafel hinaus will:
Das erste Bild dokumentiert, dass sich die Tragödie fortsetzt. Nicht nur mit der Erweiterung durch das mutmaßliche Pfarrhaus, sondern auch mit der Renovierung.
Mir erzählt das erste Bild eine Geschichte. Aber vielleicht ist mein Blick auch zu speziell. In einem Buch über Stilfehler oder Pfusch am Bau wäre dieses Bild jedoch genau richtig.
Grüße Stefan