Hallo,
schon wieder eine alte Meßsucher-Kamera, kriegt der denn nicht genug?
Vorgeschichte:
Nun ja, ich habe zwei FEDs, die mir zum immer dabei haben aber etwas zu groß und schwer sind. Dann eine Rollei B35, die hat keinen Meßsucher, keine langen Zeiten und ich muß erst das Objektiv ausfahren. Eine Leica IIIa, bei der der Meßsucher kaum noch zu erkennen ist, ich das Objektiv ausziehen muß und für die ich keine Schutztasche und noch nicht einmal einen richtigen Objektivdeckel habe. Und die Porst 135E ist mir zu automatisch und braucht auch noch Batterien. Bei den Minolta-SLRs sind mir Größe, Gewicht und fehlende Schutzhülle für diesen Zweck hinderlich. Undsoweiterundsofort (ein paar Aspiranten kämen jetzt noch).
Alles das ist natürlich alles nur eine Ausrede. Ich habe schlicht und ergreifend die Chronik der Firma King aus Bad Liebenzell/Schwarzwald in einer alten PhotoDeal (Heft 1/2003) gelesen und mich in die frühen Modelle dieses Herstellers verknallt. Sehr harmonisch und wertig gestaltete Kleinbildkameras mit wunderhübschen gravierten Schriftzügen, konstruiert vom Juniorchef persönlich. Vorher hatte die Firma Radio- und Uhrenzulieferteile hergestellt. Und Regula ist sowieso ein hübscher Name für eine Kamera. Mit Meßsucher ausgestattet wurde die Regula 1954 zur Regula Cita. Die Cita III von 1956 wartete dann bereits mit einem Selenbelichtungsmesser auf, das Design gefällt mir bei ihr aber schon nicht mehr so und sollte auch nie mehr so hübsch werden wie bei den frühen Modellen. „Wird denn sowas angeboten“ fragte ich mich und schaute mal nach... die hier habe ich schnell gefunden, Sofortkaufpreis 15 Euro plus 4 Euro Versand, „Funktion in Ordnung bis auf den gekuppelten Entfernungsmesser, der zwar funktioniert, aber im Sucher schwer erkennbar ist. Originaltasche dabei.“ OK, schlecht zu erkennender Meßsucherpunkt... ach egal, nach zwei Klicks war's meine.
Erster Eindruck:
Die Cita ist auch in Wirklichkeit sehr schön und macht einen hochwertigen Eindruck, ihr optischer Erhaltungszustand ist hervorragend. Sie ist für eine 50er-Jahre-Meßsucherkamera sehr kompakt und dadurch, daß sie größtenteils aus Aluminium besteht, auch sehr leicht, mit Film und Bereitschaftstasche unter 500 Gramm. Der Prontor SVS-Zentralverschluß bietet Zeiten von 1 bis 1/300s und eine Vollsynchronisation für Elektronen- und Vacublitze. Ebenfalls für die Zeit sehr fortschrittlich ist der Schnellschalthebel für Transport und Verschlußaufzug. Großartig: Der Auslöser ist mit der butterweichste, den ich jemals unterm Zeigefinger hatte, präzise, supersanft und erschütterungsfrei. Das Objektiv ist ein Cassar S von Steinheil München mit Blendenöffnungen von 2,8 bis 16 und einer Brennweite von 45 mm. Es läßt sich sehr leicht einstellen, durch zwei Ausleger auch prima einhändig.
Was ist nun mit dem Sucher? Der ist der einzige Kritikpunkt, denn das Guckloch ist verdammt klein und man setzt besser die Brille ab, mit etwas Übung geht es aber auch so. Noch kleiner ist nur der Meßsucherpunkt, der aus einem sehr winzigen liegenden Rechteck in der Suchermitte besteht und erst einmal gefunden werden will. Von der Helligkeit ist er bei meinem Exemplar noch so gerade in Innenräumen einsetzbar und somit immerhin heller als der in meiner Leica IIIa. Er scheint sogar noch halbwegs genau eingestellt zu sein. Ansonsten gibt es aber auch noch eine Schärfentiefeskala.
Praxis:
Die bezauberndste Kamera nutzt recht wenig, wenn keine guten Bilder dabei herauskommen. Und bei einer Immerdabei ist auch eine problemlose Bedienung in spontanen Situationen wichtig. Also habe ich einen Ernstfall-Test gemacht, den letzten Rest (etwa 12 Bilder) des Kentmere 400, den ich neulich in der FED hatte, eingelegt und auf einem kleinen fotografischen Umweg beim morgendlichen Brötchenholen Motive festgehalten, die Bedingungen waren düsteres Wetter, leichter Nieselregen, Wind, prall gefüllte Brötchentüte und Beli in der einen Hand, die Cita in der anderen, Belichtung mit den Blenden 4 und 5,6 bei 1/50s. Das geht nicht mit jeder Kamera gut. Die Handhabung war schon einmal praxisgerecht.
Fazit:
Von den Ergebnissen bin ich durchaus angetan, schon die Schnellscans sehen gut aus – die Neueinsteiger aus dem Schwarzwald hatten damals auf jeden Fall ein sehr ordentliches Produkt zu bieten, das heute trotz guter Verkaufszahlen leider fast vergessen ist. Mit kleinen Einschränkungen wegen des etwas anstrengenden Suchers kann man sie heute noch als praxisgerecht bezeichnen, auch das Objektiv macht trotz seiner lediglich drei Linsen einen guten Job. Es ist also gut möglich, daß die Kleine mich demnächst häufiger begleitet.
Viele Grüße
Nils
Bilder:
Testbild indoor: Offenblende 2,8, 1/50s
Engel: Blende 5,6, 1/50s
Hydrant: Blende 8, 1/50s
Kentmere 400, 9 Min. in Rodinal 1+25