#1

Olympus µ[mju:]-II

in Erfahrungsberichte 24.10.2010 22:36
von Grisu • Admin | 9.337 Beiträge

Eine absolut faszinierende Kompaktkamera ist die Olympus µ[mju:]-II oder, kürzer benannt, mju-II oder µ-II.

Die mju-Serie bildet die Nachfolge der erfolgreichen XA-Reihe von Olympus, und so überrascht es nicht, dass die mju-II (gebaut ab 1996) einiges mit der Vorgängerin, der Olympus XA, gemein hat. Wie bei der XA wird die Linse durch einen Schieber geschützt, der gleichzeitig als Hauptschalter die Kamera einschaltet. Die Größe ist nahezu identisch (XA = 102 x 62 x 40 mm; mju-II = 108 x 59 x 37 mm), womit beide Kameras zu den kleinsten Kleinbildkameras zählen, die je gebaut wurden und kleiner sind als viele APS-Kameras. Beide haben ein herausragendes, mehrfach vergütetes Zuiko Objektiv mit 35 mm und einer Offenblende von f/2,8 – das der Olympus XA gilt als so hochauflösend und scharf, dass sie mit vielen Festbrennweiten für Spiegelreflexkameras mithalten kann. Was das Objektiv der mju-II kann, wird weiter unten geklärt.

Doch es gibt auch einige Unterschiede zur Vorgängerin: das Gehäuse ist aus Vollkunststoff statt aus Metall, womit die mju-II insgesamt 95 Gramm Gewicht abgespeckt hat. Trotzdem wirkt es nicht weniger wertig. Der Blitz ist mittlerweile in die Kamera integriert und muss nicht - wie bei der XA, der Chinon Bellami oder einer Minox 35 - auf klobige Weise angesteckt werden. Der Filmtransport ist vollautomatisch statt per Handrad, und statt einer manuellen Fokusvorwahl, die man schon mal vergisst, verfügt die mju-II über ein modernes Autofokussystem. Hierdurch ändert sich der Mindestaufnahmeabstand gravierend – beträgt er bei der XA 85 cm, sind es bei der mju-II nur noch 35 cm, womit sie fast an die Pentax Espio mini (30 cm) heranreicht. Damit ergeben sich eine Vielzahl an Aufnahmemöglichkeiten, die mit der XA nicht umsetzbar waren. Das Objektiv ist nicht wie bei der XA ein Sechs-, sondern ein Vierlinser.

Noch weitere Vorteile machten die mju-II zur meistverkauften Kleinbildfilm-Sucherkamera. Die mju-Serie ist geschützt gegen Wettereinflüsse und kann auch bei Regen eingesetzt werden, die mju-II bildet hiervon keine Ausnahme. Sie liegt ordentlich in der Hand und ist gut zu bedienen, allerdings wandert mein Auslösefinger nicht selten auf die Kante des offenen Schiebers statt zum Auslöser. Erwischt man den Auslöser, stellt er sich als sehr weich heraus – schnell hat man ungewollt früh eine Aufnahme ausgelöst, denn der Zwischendruckpunkt lässt sich nur mit einiger Übung ertasten. Die Auslösung selbst geht leise vonstatten. Neben der Mehrfeld- steht auch eine Spotmessung zur Verfügung, womit die Kamera eine erweitere Möglichkeit der Einflussnahme auf die Belichtung bietet. Ein- und ausgeschaltet wird die Spotmessung, indem man die Tasten Blitz und Selbstauslöser auf der Gehäuserückseite gleichzeitig drückt. Ein Novum ist der Aufwand, den Olympus betrieben hat, um Parallaxen zu vermeiden: so muss der Strahlengang, der zum Suchfenster hereinkommt, durch ein Spiegelsystem über die Filmbühne hinweg nach oben und unten umgeleitet werden. Beim Blick durch den kleinen, aber hellen Sucher ruht der Blick auf einem Kreuz in der Mitte, das beim Bildaufbau unterstützen kann.

Die kompakte Bauweise hat aber auch einen Nachteil: die Stativaufnahme ist extrem weit an den rechten, vorderen Gehäuserand gewandert, an anderer Stelle war kein Platz dafür. Möchte man also mit der mju-II in der Dämmerung fotografieren, braucht es ein stabiles Stativ mit einer guten Auflagefläche, um Verwacklungen zu vermeiden. Mit dem Selbstauslöser sollte dies aber möglich sein. Allerdings ist sie mit max. 4 Sekunden Belichtungszeit und fehlender Bulb-Funktion stark begrenzt, so dass nächtliche Einsätze – außer in Verbindung mit höchstempfindlichen Filmen – kaum in Frage kommen dürfen. Dafür ist sie mit max. 1/1000 Sek. so schnell wie keine meiner anderen Kompaktfilmkameras.

Die vielen Vorteile führen dazu, dass die mju-II auf dem Gebrauchtmarkt auch heute noch hoch gehandelt wird, gepflegte Exemplare werden in der Regel zwischen 60 und 200 EUR angeboten (damaliger Neupreis: 250 DM), Auktionen enden meistens zwischen 35 und 50 EUR; meine konnte ich mit viel Geduld und Glück für 30 EUR inkl. Tasche ergattern. Doch aufgepasst – wie auch bei der XA-Reihe (hier: die XA-3) gibt es auch eine abgespeckte Version, nämlich die mju-I. Beide Kameras haben eine verringerte Ausstattung, der mju-I fehlt u.a. die Spotmessung, zudem ist in beiden ein einfacheres Objektiv verbaut, dass es nur auf eine Anfangsöffnung von f/3,5 bringt und eine mehr so gute Abbildungsleistung liefert wie diejenigen mit f/2,8.

Während mir bei meinem ersten Film (ein Diafilm, den ich zur Entwicklung und Rahmung nach Studio 13 schickte) nichts Negatives auffiel, bemerkte ich bei meinem zweiten Film (diesmal handelte es sich um einen Schwarzweiß-Film, den ich selbst verarbeitete), dass die Kamera den Film nicht weit genug aus der Patrone heraus zog und zu früh mit den Aufnahmen begann. So ist die erste Aufnahme nicht auf dem Stück Zelluloid, bei dem der Hersteller auf der Perforation die „1“ eingeprägt hat, sondern deutlich früher – quasi bei „minus 2“. Und dies führte dazu, dass ich auf den ersten beiden Negativen mehr oder minder starken Lichteinbruch hatte – ärgerlich bei unwiederbringlichen Aufnahmen. Ähnliches ist mir mit meiner Olympus XA3 aufgefallen, bei der es mir gelang, insgesamt 40 Bilder auf einen 36er Film zu bannen. Nur hier hat die Kamera spät genug mit den Aufnahmen begonnen, dass auf den ersten Teil des Filmes kein ungewolltes Licht eindringen konnte.

Die Technischen Daten der mju-II im Überblick:

Filmempfindlichkeit von ASA 50 – 3200
Filmtransport automatisch
Objektiv Zuiko 4-Linser, 35 mm, f/2,8
kleinste Blende f/11
Fokus 0,35 m – unendlich, aktiver Mehrstrahl-Autofokus
Verschlusszeiten 1/1000 – 4 Sek., kein Bulb
Belichtungsmessung Mehrfeldmessung, umschaltbar auf Spot
Blitz LW 11
Batterie CR123A
Gewicht 135 g

Ähnlich wie das in der XA verbaute Objektiv hat auch das der mju-II einen hervorragenden Ruf, auch wenn es sich nur um einen Vier- statt einen Sechslinser handelt. Um wirklich die Schärfe optimal beurteilen zu können, lud ich als ersten Testfilm einen Diafilm mit ASA 100 in die Kamera. Zum Einsatz kam er – wegen dem eher feuchten Frühjahr 2010 – u.a. an bewölkten Tagen.
Die Schärfe ist gut mit recht feiner Detailabstufung, entspricht aber nicht ganz dem hervorragenden Ruf. Bei Offenblende, die mit einem eher niedrigempfindlichen Film an bewölkten Tagen mit Sicherheit schon mal erreicht wird, ist ein Randabfall der Schärfe zu beobachten. Ähnlich schaut es in der Brillanz aus – sie ist grundsätzlich überzeugend, doch wenn die Kamera in einer eher dunklen Umgebung eingesetzt wird und dabei die Blende öffnet, lässt auch sie nach.

Aufgefallen ist mir hierbei eine im Großen und Ganzen ausgewogene Belichtung, die zu ungefähr 80 % treffsicher ist. Allerdings waren bei meinem Testfilm doch recht viele Dias dabei, die etwas zu hell, und zudem einige, die unterbelichtet waren.

Den zweiten Einsatz hatte die mju-II aufgrund ihres Wetterschutzes, als sie mich im Sommer 2010 auf einer mehrtägigen Motorrad-Alpentour begleitete. Hierbei wurde ein Ilford HP5 Plus (ASA 400) in die Kamera geladen. Die Schärfe in der Bildmitte zeigte sich hier ebenfalls gut, zu den Bildrändern war der Schärfeabfall – vermutlich wegen dem empfindlicheren Film und der damit vergleichbaren Abblendung – nicht so stark wie beim Dia. Trotzdem fiel auch hier die Schärfe zu den Bildrändern minimal ab. Die Gesamtdarstellung sollte für gute Abzüge bis 20x30 cm und brauchbe Abzüge bis 30x45 cm reichen, dennoch wird der Vorsprung in der Schärfe, der gegenüber einem niedrigempfindlichen Film erreicht werden mag, durch das geringere Auflösungsvermögen und die Kornstruktur des höherempfindlichen Films wieder zunichte gemacht.

Da ich auf der Alpentour verschiedenste Wettersituationen hatte, musste ich auch mit verschiedenem Sonnenstand auskommen. In einem Fall, in dem ich vermutlich vergaß, die Linse mit der Hand gegen das Streiflicht abzuschirmen, zeigt sich prompt ein kleiner Lichtfleck im Bild – daraus ziehe ich, dass die mju-II etwas streiflichtempfindlich ist. Ins niedrige Licht der frühen Morgensonne fotografiert, flaut die Aufnahme zur Bildmitte hin sichtlich ab und kann sogar zu Lichtstreifen führen, die sich durch das Bild ziehen. Die Belichtungen auf diesem Film waren alle, trotz der unterschiedlichsten Licht- und Wetterstimmungen, bis auf 2 Aufnahmen gelungen.

Alles in allem eine zeigt die mju-II eine gute Leistung, wenngleich sie den hervorragenden Ruf der Kamera nicht zu begründen wissen. Man muss zudem bestimmte Begebenheiten – Streiflicht und Gegenlicht – im Auge halten und sollte sich überlegen, wenn man nicht bei durchgehend guten Lichtverhältnissen fotografiert, eher zu höherempfindlichen Filmen zu greifen. Insgesamt liefern andere Kompakte wie die Espio mini oder die Olympus XA3 ein besseres Gesamtergebnis ab.


Fazit
Die Olympus µ[mju:]-II liefert ein gutes, aber kein hervorragendes Gesamtbild ab und ist durch ihre Größe und Wetterunempfindlichkeit eine ideale Immer-Dabei-Kamera. Die Schärfe bewegt sich auf recht hohem Niveau in der Bildmitte und gutem Niveau an den Bildrändern, abhängig von Umgebungshelligkeit und verwendetem Film. Doch sie hat auch einige kleinere Schwächen, derer man sich bewusst sein sollte.

(Stand: Oktober 2010)

Angefügte Bilder:
a.jpg
b.jpg



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#2

RE: Olympus µ[mju:]-II

in Erfahrungsberichte 24.10.2010 23:18
von ThomasN • Mitglied | 983 Beiträge

Hallo Sven -
Interessanter, professionell anmutender Bericht! Aber was hat es mit dem 2. Foto auf sich? Das ist komplett unscharf.

Thomas

P.S. An einer kompakten Kleinbildkamera für immer dabei (besonders für meine Sport-Radltouren, hinten in der Trikottasche) wäre ich interessiert. Gibt es da außer der Mju II noch andere gute Kameras auf dem Gebrauchtmarkt im Bereich 30-60 Euro?


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#3

RE: Olympus µ[mju:]-II

in Erfahrungsberichte 24.10.2010 23:52
von Gelöschtes Mitglied
avatar

@Sven: Schöner Bericht!

@Thomas: Rollei 35.

Viele Grüße,
Nils


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#4

RE: Olympus µ[mju:]-II

in Erfahrungsberichte 25.10.2010 01:56
von namir • Mitglied | 2.452 Beiträge

Merci für den Erfahrungsbericht! Habe mir zufällig gerade letzte Woche eine bestellt, sollte die Tage bei mir eintreffen.
Als Alternative: halt die Olympus XA. Wenn es auch etwas schwerer sein darf, dann evtl. auch eine Agfa Optima 1035 (oder die 535, halt nur 1/500, ohne Messsucher und nur einfach vergütetes Objektiv, dafür könnte man sich mit 30 Euro 3-5 Stück davon kaufen).


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#5

RE: Olympus µ[mju:]-II

in Erfahrungsberichte 25.10.2010 02:44
von Brom • Mitglied | 490 Beiträge

Zitat von ThomasN

Aber was hat es mit dem 2. Foto auf sich? Das ist komplett unscharf.



Das ist eine Ausschnittsvergrößerung von dem Felsen
(wobei da noch zu bedenken wäre, ob hier nicht auch die Qualität des Scans eine Rolle spielt)

Alternativen in ähnlicher Größe wären noch die bereits von Sven erwähnte Pentax Espio Mini oder Yashica T4 bzw. T5.
Wobei die Yashicas zwar ein sehr gutes Zeiss Tessar haben, aber (deshalb) vermutlich schwer für 60 Euro zu finden sind.
Die Yashica T3 gilt als optisch noch etwas besser, allerdings ist sie etwas größer und schwerer als ihre jüngeren Schwestern, daher ist sie sehr günstig zu haben.
Von Konica gibt's auch noch die kleine, leichte Big Mini, die den mjus kaum nachstehen wird. Erhältlich für 5 Euro und weniger, ebenso wie die mju-I, die wirklich auch nicht schlecht ist.


zuletzt bearbeitet 25.10.2010 02:48 | nach oben springen

#6

RE: Olympus µ[mju:]-II

in Erfahrungsberichte 25.10.2010 02:54
von ThomasN • Mitglied | 983 Beiträge

Zitat von Brom

Zitat von ThomasN

Aber was hat es mit dem 2. Foto auf sich? Das ist komplett unscharf.

Das ist eine Ausschnittsvergrößerung von dem Felsen




Achh Herrje - wie peinlich. Ich habe mal das 1. Foto in einem Bildbetrachtungsprogramm gezoomt und es kommt die gleiche Unschäre heraus wie im 2. Bild. Als ganzes, auf einem PC-Bildschirm betrachtet wirkt es ja ganz ordentlich (na ja - nicht wirklich).

Thomas


zuletzt bearbeitet 25.10.2010 03:01 | nach oben springen

#7

RE: Olympus µ[mju:]-II

in Erfahrungsberichte 25.10.2010 03:53
von Grisu • Admin | 9.337 Beiträge

Zitat von Brom
Das ist eine Ausschnittsvergrößerung von dem Felsen
(wobei da noch zu bedenken wäre, ob hier nicht auch die Qualität des Scans eine Rolle spielt)



Klar, daer Scanner ist nicht mehr der jüngste, und die Scanqualität spielt hier wirklich eine Rolle. Ich scanne meine Bilder mit der höchstmöglichen Qualität (2.880 dpi), die er hergibt, und mache dann zur Orientierungshilfe einen 100%-Bildausschnitt davon. Sieht hier wirklich grausam aus - das liegt aber tatsächlich nicht nur am Scanner, sondern auch mit an der Kamera, denn das mein Scanner das im übrigen recht vernünftig macht, sieht man in den Erfahrungsberichten zur

- Pentax Espio mini
- Leica mini zoom
- Leica mini oder auch zur
- Olympus XA3

Insgesamt muss ich sagen, dass selbst die Olympus XA3, die als abgespeckte XA gilt und von der Auflösung schlechter sein soll, nicht schlechter als die mju-II ist!! Das fand ich ernüchternd... Empfehlen kann ich im übrigen alle vier hier verlinkten Kameramodelle.

Grüße
Sven

P.S. Erfahrungsberichte zur Ricoh RZ-3000 und Chinon Bellami kommen wohl auch demnächst mal.




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#8

RE: Olympus µ[mju:]-II

in Erfahrungsberichte 26.10.2010 09:28
von jamniz • Mitglied | 111 Beiträge

kompakt, schnell und super von der bildquali sind doch auch die yashicas der t serie...ich selber hab ne t3d für drei euro ergattern können. ist zwar nen relativ großer knochen -allein vom design- aber verbaut ist eine zeiss objektiv, nämlich das tessar 35/2,8. die t4 oder t5 ist "sauberer" im design und auch kleiner. jedoch liegt da die offenblende bei 3,5. ich hab die t3 immer dabei. und die ist wirklich super für alles spontane. die mju ist mir zu lahm und zu laut. aber dafür natürlich klein:-)


gruß j.


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#9

RE: Olympus µ[mju:]-II

in Erfahrungsberichte 28.10.2010 04:36
von Grisu • Admin | 9.337 Beiträge

Die T3 hab ich auch, und ich kann's bestätigen. Einen Erfahrungsbericht hierzu arbeite ich demnächst auch noch aus (bzw. ergänze ihn, er ist fast fertig). Allerdings brauch ich demnächst eine Neue - meine Frau hat meine fallen lassen, dadurch ist die Scheibe oben für den "Winkelsucher" abgefallen und hielt nicht mehr, so dass die Cam nicht mehr dreckgeschützt ist. Ich Ochse hab das natürlich mit Sekundenkleber geklebt - mit dem Ergebnis, dass die Dämpfe fast die ganze Scheibe haben weiß werden lassen. Durch den Sucher, also klassisch, funktioniert sie weiter tadellos, aber ich liebe gerade die Möglichkeit, mit ihr ganz tiefe Perspektiven umzusetzen, so an ihr.

Grüße
Sven




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