Pentacon Super - Die Überirdische
in Erfahrungsberichte 07.07.2012 18:53von DD_Ihagee • Moderator | 3.013 Beiträge
Hallo analoge Fotogemeinde,
heute möchte ich Euch etwas zu einer relativ seltenen und auch selten beschriebenen Dresdner Kamera erzählen.
1966 erschien auf der Photokina die Pentacon Super.
Ab 1968 wurde sie in Serie gebaut.
Sie, eine Spiegelreflex-Systemkleinbildkamera mit TTL-Offenblendmessung, Belichtungszeiten bis zur 1/2000 Sekunde , 1/125s Blitzsynchronzeit, ferner 1A-Optiken und einem reichhaltigen Zubehör!
Konzipiert wurde sie als Praktina N und war, wie alle Praktinas, für den professionellen Bereich vorgesehen was man mit dem Preis von ~2300 Mark auch deutlich manifestierte.
Zeiss-Ikon hatte die Contarex-S am Markt und als "Gegengewicht" kann man die Pentacon Super wohl einordnen. Sicherlich spielte der "Kampf der Systeme" eine nicht unerhebliche Rolle, sieht man den Aufwand welchen Pentacon bei diesem Apparat betrieben hatte.
Mit der Pentacon Super wollte man sicherlich zeigen, daß man nicht nur in der Lage war, mehr oder weniger preiswerte Amateurgeräte zu bauen, sondern auch an der Spitze der Liga mitzuspielen.
Nur reichlich 4500 Stück wurden von dieser Kamera zwischen 1968 und 1972 gefertigt.
Wahrscheinlich lohnte der Aufwand nicht; die Praktica-Reihe (die kleine Praktica-Schwester ist übrigens die Super TL) partizipierte nicht von ihr, der hohe Preis wirkte alles andere als verkaufsfördernd.
Im eigenen Hause wurde bei der Praktica LLC 1969 erstmals der Blendenwert elektrisch an die Kamera übertragen, damit die TTL-Messung bei Offenblende viel einfacher realisiert und das mechanische System ad acta gelegt.
In Japan, als Meßlatte im Kamerabau zu sehen, hielt mehr und mehr Elektronik Einzug in die Apparate (ab 1977 mit der Praktica EE2 auch im eigenen Betrieb) - die Zeit der rein mechanischen Kameras neigte sich dem Ende zu, war faktisch vorbei.
Somit kam es also nur zu dem kurzen, vier Jahre andauernden Intermezzo.
P.S. Überirdisch übrigens im doppelten Sinne; nicht nur an sich einzigartig, durfte dieser Kameratyp 1969 als erste Kamera aus Dresden mit ins Weltall an Bord von Sojus4.
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RE: Pentacon Super - Die Überirdische
in Erfahrungsberichte 07.07.2012 18:57von DD_Ihagee • Moderator | 3.013 Beiträge
Zur Technik:
Als echter Systemkamera wurden der Pentacon Super wie schon bei der Praktina der Anbau eines Winders und einer 17m-Kassette ermöglicht (die Rückwand ist angelenkt aber auch abnehmbar), weiterhin waren das Prisma gegen einen Lichtschacht und auch die Bildfeldlinsen austauschbar.
Die Belichtungsmessung erfolgt bei Offenblende, die passenden Objektive vorausgesetzt.
Im Sucherbild sind eingespiegelt die eingestellte Blende und die Belichtungszeit sichtbar, weiterhin der Meßwerkzeiger und das Bereitschaftssignal ob der Film transportiert und der Verschluß gespannt ist.
Die Verschlußzeiten reichen von 10 Sekunden bis zur 1/2000 Sekunde; die langen Zeiten über 1 Sekunde erfolgen über ein separat zu spannendes Vorlaufwerk, welches gleichzeitig auch für den Vorlauf des Selbstauslösers einzustellen ist.
Die Belichtungszeiten können dann nicht mehr gemessen, sondern quasi nur noch errechnet werden.
Der vertikal laufende Verschluß ist ein Tuchverschluß mit Metallamellen; was ganz eigenes also.
Die Blitzsynchronisationen können per Schalter gewählt werden.
Eine Abblendtaste gibt es nicht an der Kamera sondern am Objektiv.
Das meist verwendete Objektiv ist ein siebenlinsiges 1:1,4/55 Pancolar (mit Zusatzstift zur mechanischen Übertragung der Blendenwerte), welches Dank seiner thorierten* Gläser mit der Zeit gelbstichig geworden ist. UV-Licht soll dieses Manko wieder beheben; mir ist es bislang noch nicht gelungen - wenn überhaupt, so wird es wohl auch einige Zeit dauern.
Arbeitet man hybrid, ist der Gelbstich ganz leicht zu beseitigen; von farbigen Dia-Aufnahmen würde man wohl eher Abstand nehmen.
Natürlich können auch ganz normale M42 Objektive verwendet werden, dann allerdings nicht mit Offenblendmessung.
Sucherseitig kann sämtliches Zubehör (bspw. Winkelsucher, Meßlupe, Blitzsteckschuh, Augenmuschel) angeschlossen werden, welches auch an die Prakticas der damaligen Zeit passt.
Eine nicht profitorientierte Standardisierung hat also durchaus Vorteile ;-)
*Thorium wurde zur Glasschmelze beigefügt um die Lichtbrecheigenschaften der Linsen zu verbessern; der Preis dafür ist eine leichte Radioaktivität und eben die Vergilbung. Diese Technologie hatten andere Objektivhersteller auch verwendet - mit dem gleichen "zitronigen" Ergebnis.
Link1
Link2
Link3
Link4
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RE: Pentacon Super - Die Überirdische
in Erfahrungsberichte 07.07.2012 19:03von DD_Ihagee • Moderator | 3.013 Beiträge
Fazit:
Damals war die Pentacon Super eine Kamera der Superlative. 11 Jahre später erst kam bei Pentacon die B200, welche ähnlichen Bedienkomfort (lange Zeiten, alle relevanten Daten im Sucher sichtbar) bot. Die 1/2000 Sek. blieb aber unerreicht.
Mit 1360 Gramm ist die Pentacon Super nicht unbedingt ein Leichtgewicht; wirklich klein kann man sie auch nicht nennen - definitiv also nichts für Hosen-, Jacken- oder Westentaschen.
Dafür liegt sie ausgezeichnet in den Händen - über Vor-und Nachteile von Größe und Gewicht könnte man hier auch ganze Seiten füllen.
Mit ihr zu fotografieren macht einfach nur Spaß.
Leider haben sich aufgrund der relativ niedrigen Stückzahlen die Sammler auf diesen Kameratyp gestürzt, schade für praktizierende Amateure, die zu zahlenden Preise steigen zudem stetig.
Die meisten Kameras wurden seit langem nicht mehr benutzt (klar, wenn sie nur in Vitrinen stehen); entsprechend stimmen die Zeiten nicht mehr bzw. hängen die Verschlußtücher oder das Vorlaufwerk.
Bei meiner Kamera kamen die Zeiten noch soweit, doch je schneller sie waren umso deutlicher war ein Helligkeitsabfall in Laufrichtung des Verschlusses zu verzeichnen.
Von einigen Besitzern hörte ich von defekten Bildzählwerken, auch das der meinigen funktionierte nicht mehr - könnte eine Krankheit der Pentacon Super sein.
So ist auch mein Exemplar nach dem ersten Probefilm zum Reparateur des Vertrauens gegangen.
Nun funktioniert sie wieder als wäre sie ladenneu und wird dies hoffentlich noch lange tun.
Soviel also zu Betrachtungen dieses legendären Dinosauriers aus Dresden, ich hoffe es war wieder informativ und unterhaltsam.
Hier noch wie gewohnt ein paar Links; andere vor mir haben auch schon einiges zusammengetragen:
Link1
Link2
Link3
Link4
Link5
Link6
Bedienanleitung
VG
Holger
P.S. ein paar Bilder möchte ich Euch nicht vorenthalten
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RE: Pentacon Super - Die Überirdische
in Erfahrungsberichte 08.07.2012 00:38von Rainer Zalewsky • Mitglied | 531 Beiträge
RE: Pentacon Super - Die Überirdische
in Erfahrungsberichte 08.07.2012 07:30von DD_Ihagee • Moderator | 3.013 Beiträge
Zitat von Rainer Zalewsky im Beitrag #4
...Der Farbstich ist in der Tat eklatant...
Ja, jammerschade. Deswegen habe ich überwiegend erstmal s/w fotografiert. Da ist das Gelbfilter sozusagen automatisch mit eingebaut.
VG
Holger
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RE: Pentacon Super - Die Überirdische
in Erfahrungsberichte 14.10.2012 06:07von DD_Ihagee • Moderator | 3.013 Beiträge
Wer mal nach Bautzen kommt, sollte mal bei Foto-Schmidt am Kornmarkt hereinschauen. Kompetente Beratung und ein schönes Angebot an Kameras und Zubehör sind dem Besucher sicher.
Warum ich das hier erwähne?
Ich hatte vermutet und gehofft, daß die Bildfeldlinsen (Einstellscheiben) der Praktica VLC auch in die Pentacon Super passen.
Im genannten Laden konnte ich das in aller Ruhe ausprobieren und die Vermutung wurde bestätigt.
Erkenntnis durch Versuch - Recherchen in der Literatur bzw. im Netz hatten nichts zum Thema ergeben.
Zu Hause habe ich dann mit der Kamera auf dem Stativ die Bildfeldlinsen getauscht - die sichtbare Fokussierung war bei allen Scheiben identisch.
Prima.
VG
Holger
P.S. Die Bildfeldlinsen lassen sich übrigens wie bei der Praktina werkzeuglos wechseln!
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RE: Pentacon Super - Die Überirdische
in Erfahrungsberichte 03.05.2013 11:33von DD_Ihagee • Moderator | 3.013 Beiträge
Ein kleines Update zur Pentacon Super:
Die Maße der Bildfeldlinsen möchte ich auch hier nochmal verlinken.
Zum Pancolar:
Schon beim Besuch des vorgenannten Fotohändlers und auch jetzt bei der Dresdner Fotobörse wurde mir übereinstimmend versichert, daß die Linsen von vornherein gelb gewesen wären.
Im Netz liest man zwar gegenteiliges, aber den Zeitzeugen möchte ich ungern (ohne besseren Wissen) ihre Erfahrungen streitig machen.
Nur noch soviel: meine Bleichversuche unter recht kräftigem UV-Licht haben keinen Erfolg gehabt.
Aber ich kann folgendes berichten:
Es ist mir endlich gelungen, den Gelbstich des Objektivs auszufiltern.
In diesem Buch bekam ich den entscheidenden Tipp.
Etliche Versuchsreihen gingen voraus (Mißerfolge einbegriffen).
Hilfe bekam ich von freundlichen Fotohändlern, welche mir diverse Filter borgten.
Mit der Kombination aus einem BV1 und B6 Filter bekommt man ein farbrichtiges Bild; mit einem leichten Warmton.
Im Sucher erscheint das Bild ganz leicht grünlich; der Film "sieht" es dann doch farbrichtig.
Sicherlich - die zusätzlichen Glas-Luftflächen sind nicht optimal; für mich zählt das Ergebnis!
Doch - schaut es euch selbst an, die Bilder sind Auflagenscans; nicht bearbeitet und nur skaliert.
Ich für meinen Teil bin zufrieden.
VG
Holger
P.S. In der Zwischenzeit sind im Netz noch einige Beiträge hinzugekommen.
Inhaltlich gibt es zwar nichts neues, jedoch ist die Kamera selten genug, so daß man jeden Faden aufnimmt.
Link1
Link2
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