Hallo,
ich habe mir bereits vor geraumer Zeit eine Perfekta gekauft - ein Bakelit-Gebilde aus den Jahren 1954-56, das mir aufgrund seines sehr ungewöhnlichen Designs ins Auge gefallen war. Als ich sie besaß (1 Euro plus Versand) – was erst einmal das Wichtigste war – wollte ich sie dann auch ausprobieren. Sie löste nicht aus. Mist. Da ohnehin nichts mehr kaputtzumachen war, baute ich sie auseinander. Wer sonst an Traktoren schraubt und daher vor filigraner Kameratechnik Angst hat, dem sei die Perfekta ans Herz gelegt - der Vorderteil mit der Linse und der gesamten "Technik" darin wird von einer einzigen Riesen-Schlitzschraube gehalten, man kann getrost den ganz großen Schraubendreher nehmen. Mehr zu schrauben gibt es nicht. Das Innenleben besteht nahezu aus nichts. Erst nach dem Kauf einer zweiten Perfekta und der Lektüre der Bedienungsanleitung fand ich heraus, daß der Einfachverschluß durch den Filmtransport gespannt wird und das Ding somit eine Doppelbelichtungssperre hat! Nun, jetzt habe ich halt zwei, kann ja nicht schaden. Wer nun gerne die Bedienungsanleitung lesen möchte, hier ist sie: http://www.kameramuseum.de/11-anleitunge...erfekta-box.pdf
Schauen wir uns das Produkt des VEB Rheinmetall, Sömmerda/Thüringen einmal genauer an: Es handelt sich um eine Box mit sich verjüngender Front, dem Kamera-Genre entsprechend mit nur einer Zeit von 1/25 und B ausgestattet. Anstatt eines sonst bei herkömmlichen Boxen üblichen Brilliantsuchers ist hier allerdings ein unverglaster Rahmen-Sportsucher angebracht, der durch seine Größe auch für Brillenträger bestens geeignet ist und das Bild zuverlässig eingrenzt. Vor Verwackeln durch die lange Verschlußzeit braucht man nicht so viel Angst zu haben, der recht weiche und auch recht präzise Auslöser sitzt nämlich vorne unter dem Objektiv, man drückt ihn zu sich hin, was halbwegs vermeiden hilft, daß die Kamera verrissen wird. Da die lustige Form auch erstaunlich gut in der Hand liegt, kann man die Perfekta durchaus als praxisgerecht gestaltet ansehen.
Praxisgerecht ist auch das Vorhandensein einer Rotfensterabdeckung. Das Rotfenster selbst ist dazu noch sehr dunkel – zu dunkel allerdings für meinen Erstlingsfilm, den zwar guten, aber leider auf dem Rückpapier entsetzlich kontrastarm bedruckten Shanghai GP3. Wie durch ein Wunder hatte ich nur eine Überlappung auf dem Film, für diese Kamera würde ich daher eher zu was anderem raten.
Kommen wir zum Objektiv – ja, es ist tatsächlich eins drin. Keine Meniskuslinse, sondern ein Achromat 1:7,7/80 mm. Die Lichtstärke ist für eine Box somit schon einmal recht gut, noch besser ist es, daß sich das Objektiv auch auf 11 und 16 abblenden läßt. Falsch fokussieren kann man nicht, da man dies boxtypisch gar nicht kann. Der scharfe Bereich liegt bei Blende 7,7 bei 4,5 bis 40 Metern, bei Blende 11 bei 3,8 Metern bis unendlich und schließlich bei Blende 16 bei 3 Metern bis unendlich. Womit der größte Nachteil schon genannt ist: Nahaufnahmen kann sie nicht. Eine Blitzsynchronisierung kam auch erst bei der Perfekta II, einen Drahtauslöser hingegen kann man anschrauben.
Mit der 1956 auf den Markt gebrachten Perfekta II hatte sich die lustige Box dann zur kompakteren einfachen Sucherkamera mit Springtubus gemausert, indes immer noch aus Bakelit und immer noch mit demselben Fixfokus-Objektiv. Dafür gab es jetzt drei Zeiten und B. Vielleicht läuft mir ja mal eine über den Weg. Da dort allerdings der Auslöser oben am Gehäuse ist, fürchte ich, daß es bei der Bedienung zu ähnlichen Problemen kommt wie bei der Pouva Start. Bei der kann man nämlich eigentlich nur auf einem Stativ nicht verwackeln.
Abschließend noch eine Fotoprobe des tollen Geräts, welches hier meine Erwartungen jedoch leider nicht erfüllt hat. Film war der Shanghai GP3, entwickelt in Rodinal 1+100. An eine Zeiss Ikon Box Tengor kommt die Perfekta leider nicht einmal annähernd heran, sie muß sich schon arg bemühen, überhaupt mit der Vredeborch Felica halbwegs mitzuhalten – und die hat nur eine Meniskuslinse. Außerdem kann man mit der Felica auch näher rangehen, da sie sich fokussieren läßt. Einen Gelbfilter und zwei Blenden bietet sie überdies. Bilder, die mit der Felica gemacht wurden, lassen sich hier über die Suche finden.
Spaß macht die Perfekta aber trotzdem. Es kann ja nicht immer alles perfekt sein.
Viele Grüße,
Nils