Hallo,
ich habe neulich mal wieder einen Impulskauf bei ebay getätigt... ein Händler bot eine Baby-Ikonta aus dem Hause Zeiss-Ikon zu einem verführerischen Preis an. Der Grund: Das gute Stück wurde zwar als funktionsfähig angeboten, sah aber schon auf den Bildern so aus, als sei sie bei einer Ausgrabung entdeckt worden. Aber erstens kaufe ich alte Kameras nicht für die Vitrine (die habe ich nämlich gar nicht), sondern zum Spielen und zweitens steckt bei einem Händler auch kein Risiko dahinter. Vorweg sei verraten, daß ich sie natürlich behalten werde.
Die Baby-Ikonta war vielleicht die kleinste gute Kamera ihrer Zeit. Vorgestellt wurde sie 1931, 1938 lief die Modellreihe aus. Also kann ich davon ausgehen, daß meine gute 75 Jahre auf dem Buckel haben wird.
Es gab ein Grundmodell mit f=6.3, 50 mm Novar und den Verschlußzeiten 1/25, 1/50, 1/75, B, T. Nett, hätte mich jetzt aber auch nicht soo sehr gereizt. Meine ist nämlich das Topmodell, mit f=3.5, 50 mm Tessar (mein erster Vierlinser-Falter!) und einem opulenten Compur-Verschluß, der zwischen einer und 1/300 Sekunde keine Wünsche offenläßt.
Und die Kamera ist wirklich winzig, wie das Größenvergleichs-Bild unten demonstriert. Die Monsterkamera daneben ist eine eigentlich ebenfalls sehr kompakt-handliche Ikonta 521/16 (6x6). Die Baby-Ikonta ist zusammengeklappt sogar noch kleiner als eine Rollei 35! Die Fläche ist identisch, die Rollei ist aber einen Zentimeter dicker! Und das ist immerhin die kleinste vollmechanische 35mm-Kamera (fairerweise muß man sagen, daß diese immerhin noch einen Beli drin hat)! Die Baby-Ikonta ist somit meine kleinste Kamera überhaupt. Wie geht das so klein? Nun, zum einen nutzt sie 127er Film – und dieser wird auch noch im Halbformat 3x4 belichtet. Man kann nun natürlich darüber diskutieren, ob das überhaupt noch Mittelformat ist, größer als Kleinbild ist es allemal.
Als ich die Kamera bekam und erleichtert feststellte, daß sich Rost und Gammel scheinbar tatsächlich nicht auf Optik und Mechanik ausgewirkt hatten, mußte ich sie natürlich sofort ausprobieren. Dummerweise befand sich mein letzter 127er-SW-Film noch in der Empire Baby. Da noch Bilder drauf waren, wurde er kurzerhand im dunklen Badezimmer von der einen in die andere Kamera umgefummelt.
Die wichtigsten Fragen kommen nun:
1. Kann man damit fotografieren?
2. Lohnt es sich, dafür den teureren 127er-Film zu benutzen?
zu 1: Ja, wenn man es gewohnt ist, alle Einstellungen händisch vorzunehmen und die Entfernung zu schätzen. Die kleine Kamera liegt gut in der Hand, der Verschluß wird separat gespannt (quer gehalten der obere Hebel, auf dem Bild der rechte) und am Objektiv, ähnlich wie bei alten Rolleicords, ausgelöst (das ist dann der andere Hebel am Objektiv). Da dazu (wie auch bei der Rolleicord) ein sehr leichtes Antippen genügt, kann man gut aus der Hand fotografieren. Unten rechts dreht man den Film weiter. Das linke Rotfenster ist das erste, erscheint dort die 1, kann man das erste Bild machen. Dann dreht man weiter, bis die 1 im zweiten Fenster erscheint, macht das zweite Bild, dreht weiter, bis die 2 im ersten Fenster erscheint usw. Man bekommt so 16 Aufnahmen pro Film. Eine Doppelbelichtungssperre gibt es nicht.
Der Sucher ist ein einfacher Rahmensucher ohne Glas, der den Bildausschnitt aber recht gut eingrenzt. In normaler Haltung nimmt man Bilder im Hochformat auf, aber auch Querformat ist problemlos handhabbar. Mittels eines kleinen Aufstellers in der Objektivklappe kann man die Kamera auch vertikal aufstellen und erhält in dieser Stellung dann Bilder im Querformat. Das Schätzen der Entfernung klappt, wohl aufgrund der recht kurzen Brennweite, recht gut. Absolut perfekt fokussieren könnte man natürlich nur mit einem Entfernungsmesser oder wenn es eine Spiegelreflex wäre, aber für den Normalverbraucher reicht das Schätzen aus, auch wenn leider keine Angaben zur Schärfentiefe vorhanden sind.
2. Das muß natürlich jeder selbst für sich entscheiden, für mich sind die Gründe Nostalgiefaktor, Kameragröße und Abbildungsqualität ausschlaggebend. Für eine Kamera aus der ersten Hälfte der 30er Jahre ist das Objektiv (noch nicht vergütet) phänomenal gut, das Fotografieren wirft für Falter-Erfahrene keine Fragen auf, der Auslöser geht schön leicht und erschütterungsfrei. Die Größe erlaubt es, die Kamera wirklich immer dabei zu haben (daher finde ich es eigentlich sogar gut, daß meine so abgenutzt ist), der Nostalgiefaktor ist hoch und es gibt hervorragendes Filmmaterial (das in 120 natürlich viel günstiger zu haben ist). Aber ich bin bereit, den Exotenaufschlag zu zahlen. Nebenbei: Der Rollei Retro 80S ist in Kombination mit Rollei RHS ohnehin ein prima Film, tolle Auflösung, kein Korn, einfach zu verarbeiten, klarer Träger.
Fazit: Die meisten Kameras für den 127er-Film waren mehr oder weniger miese Amateur-Knipsen, richtig gute gab es nur wenige. Diese hier gehört meiner Meinung nach dazu, darüber hinaus ist sie vermutlich auch noch die kleinste. Außerdem werde ich in meinem Eindruck bestärkt, daß man von Zeiss-Ikon wohl echt alles getrost kaufen kann.
Gleich kommen noch Bilder.
Viele Grüße,
Nils