Auf der Suche nach einem geeigneten Portraitobjektiv mit Festbrennweite entschied ich mich für einen Brennweitenbereich um 100 mm. Eine Brennweite von 85 mm, welche für Portraits regelmäßig als ideal angesehen wird, kam für mich nicht in Frage, da ich die Bereiche bis 75 mm bereits mit meinem Tamron SP AF LD 2,8/28-75 mm asph. XR Di IF abdecken. Der Brennweitenzuwachs von nur 10 mm erschien mir damit zu klein, um für mich lohnenswert zu sein. Wichtig war mir möglichst große Blende, leichter Telebereich und eine möglichst hohe Abbildungsleistung. Primäres Ziel ist für mich der Einsatz im Portraitbereich.
Daher schaute ich mir die in Frage kommenden Kandidaten näher von Canon, Sigma, Tamron und Tokina an. Alle Hersteller boten im Bereich von 90 – 105 mm mehr oder weniger qualitativ gute Makroobjektive mit einer Blende ab 2,8 und einem Makromaßstab von 1:1 an. Im Laufe meiner Überlegungen entschied ich mich jedoch gegen die Makrofunktion, da ich in diesem Bereich nur sehr selten tätig werde und neben dem makrofähigen Tamron dann mein Canon EF 50/1,8 II mit B+W Nahlinse +10 Dioptrie einsetze. Daher entschied ich mich für das Canon EF 100/2,0 USM, mit dem ich zusätzlich eine volle Blendenstufe im Vergleich zur Konkurrenz gewann.
Der mit 74 mm überraschend kurze (die Makroobjektive im Vergleich haben einen sehr weit herausfahrenden Tubus) und mit 460 Gramm noch relativ leichte Lichtriese verfügt über 8 Linsen in 6 Gliedern, die Scharfeinstellung erfolgt über einen Ultraschall-Antrieb.
Während ich bisher immer der Meinung war, dass die herkömmlichen AF-Antriebe nicht so laut seien wie ihr Ruf, ändere ich diese Meinung nun, nachdem ich den Ultraschall-Antrieb erlebt habe. Flüsterleise, kaum zu hören, haut er in beeindruckender Geschwindigkeit den Autofokus rein, dass es eine wahre Freude ist. Es kann daher auch gut bei Hochzeitszeremonien oder – sollte es denn so sein – Trauerfeiern eingesetzt werden, wo nur das Klacken der SLR stört. Dabei ist dieser AF präzise und sitzt nahezu immer perfekt. Vorsicht ist – wie bei jedem AF-Objektiv – nur bei der Verwendung im Portraitbereich geboten, denn hier kann es passieren – im Gegensatz zu einer Landschaft oder einem Gebäude -, dass die Schärfe schon mal auf der Nasenspitze oder auf dem Sakko statt auf den Augen liegt. Da aber dieser Ultraschall-Antrieb auch manuelle Eingriffe erlaubt, kann man schnell nachregeln; oder man arbeitet wie ich beim Portraitshooting rein manuell.
Das Gehäuse ist zwar aus Kunststoff, macht jedoch einen robusten und sehr gut verarbeiteten Eindruck. Die Frontlinse dreht sich beim Fokussieren nicht mit, was sich z.B. zum Einsatz eines Cokin-Filtersystems anbietet. Der Schalter, mit dem auf den manuellen Fokus umgeschaltet werden kann, ist schnell und sicher zu bedienen und rastet problemlos ein. Für die Fassung hat z.B. das Fotomagazin die Note 9,0 vergeben. Lediglich das Abnehmen der Streulichtblende kann zur Fummelei werden; während bei meinen anderen Objektiven die Streulichtblende aufgesetzt wird und durch Drehen in die Führung einrastet, hat man hier eine Blende, an der zwei Druckknöpfe befestigt sind. Diese ziehen Klauen links und rechts ein, die Streulichtblende wird einfach aufgesteckt, die Drucktasten losgelassen. Während das beim Anbringen schnell und einfach von Statten geht, ist das Abnehmen schwieriger, weil die Drucktasten die Klauen nicht immer ganz sauer einziehen.
Die Schärfe dieses Objektives ist brilliant. Vom Fotomagazin bewertet, kommt es in der Punktzahl mit 9,4 zwar nicht ganz an das Canon EF 50/1,8 II heran (9,6), jedoch hängt es mit der optischen Leistung sämtliche vergleichbare Makro-Festbrenn-Scherben ab. So macht sich dies auch auf den Abzügen bemerkbar, knackscharfe Aufnahmen sind das Ergebnis. Die Schärfe ist bei Offenblende sehr gut bis gut, leicht abgeblendet überragend.
Durch die hohe Lichtleistung dieses Objektives rettet man so manche Aufnahme aus der Hand, wenn wenig Licht zur Verfügung steht. Zudem eignet sich die große Blende ideal dazu, den Hintergrund in Unschärfe verschwinden zu lassen, was insbesondere bei Portraits meist sehr gut wirkt.
Die Naheinstellung liegt bei 90 cm, so dass das Canon EF 100/2,0 USM nur mit Nahlinsen für den Makrobereich interessant werden könnte.
Schraubfilter zur Verwendung an diesem Objektiv halten sich preislich noch im Rahmen, da diese bei einem Durchmesser von 58 mm noch recht günstig zu haben sind. Das Canon ist neu im Internet zwischen 380 und 510 € zu haben, etwas suchen und vergleichen lohnt sich also vorm Kauf und spart richtig Geld. Viel günstiger sind die Makroobjektive dieser Brennweite von Sigma, Tamron und Tokina nicht, das Canon EF 100/2,8 USM Makro kostet locker einen Hunni mehr.
Fazit:
Wer ein lichtstarkes Objektiv mit leichter Telebrennweite für den überwiegenden Einsatz im Portraitbereich sucht, ist mit dem Canon EF 100/2,0 USM perfekt bedient. Auch für alle anderen Bereiche, mit Ausnahme von der Makrofotografie, ist es sehr gut geeignet. Die Schärfe ist brilliant, die Lichtstärke sehr gut, der USM flüsterleise und präzise und die Verarbeitung mustergültig.
Pro:
- Schärfe und Abbildungsleistung sind brilliant
- die Lichtstärke ist enorm
- sehr gut verarbeitet
- AF-Antrieb extrem leise und präzise und zudem manuell nachregelbar
Contra:
- kein Makroeinsatz ohne zusätzliche Nahlinsen möglich
- fuckeliges Entfernen der Streulichtblende