Meine ersten beiden Fuji Neopan 1600 Professional habe ich in der „Filmgroßbestellung“ (insgesamt 60 Filme) mitbestellt, die ich Anfang Mai aufgegeben habe, um meinen Filmvorrat für die Ereignisse der nächsten zwei Monate sicher zu stellen. Er war eher als Rettungsnagel bei extrem schlechten Lichtverhältnissen gedacht, als vielleicht als „Standardfilm“. Dafür war der Ruf des Neopan 1600 nicht gut genug, „Korn groß wie Hühnereier“ ist eines der Mythen, die um Filme dieser Empfindlichkeitsklasse schwirren.
Bevor ich am 06.06.2006 meinen ersten Fotoauftrag (eine Hochzeit) abgewickelt habe, habe ich mir das Lehrbuch „Erfolgreiche Hochzeitsfotografie“ von Annabel Williams, eine der erfolgreichsten Hochzeitsfotografinnen überhaupt, durchgelesen. Sehr gestaunt habe ich darüber, dass Annabel Williams nicht nur MF sondern auch KB, und nicht nur Farbe sondern auch SW fotografiert, sondern das sie als SW-Standardfilm bei Hochzeiten ausschließlich den Neopan 1600 verwendet! Zwar waren auf den in ihrem Lehrbuch abgebildeten SW-Aufnahmen immer das Korn deutlich erkennbar, jedoch störte es überhaupt nicht, da es sehr zu der atmosphärischen Stimmung beigetragen hat !!
Als ich nun einen Tag vor meinem ersten Auftrag in die Kirche fuhr, um dort mit meiner EOS-1 (ohne eingelegten Film) und meinem Canon EF 100/2,0 USM das Licht zu messen, stellte ich erschrocken fest, das ich schon auf den Neopan 1600 zurückgreifen muss, um überhaupt noch aus der Hand fotografieren zu können. Und das trotz meiner sehr lichtstarken Objektive im Weitwinkel-, Normal- und leichtem Telebereich. Wollte ich gar mein Telezoom (4,5-6,7) einsetzen, welches nicht sehr lichtstark ist, war ich schon gezwungen, mit Stativ zu arbeiten. Letztlich habe ich – um die maximale Schärfe zu erreichen – fast nur mit Stativ gearbeitet.
Die Grautonabstufung des Neopan 1600 bewegt sich auf der Basis professioneller SW-Filme, der gebotene Kontrastumfang überzeugt. Das Korn hält sich – entwickelt man diesen Film mit dem Ausgleichsentwickler Ilford ID-11 – in Grenzen und steht in sehr gutem Verhältnis zu dem Gewinn an Licht, den man mit diesem Film erhält. Die Aufnahmen der Hochzeit von André und Marianne zeigen hier die Ergebnisse des Neopan 1600, gebadet in ID-11.
Das Bild der Braut, welches mit meinem nicht optimalen Sigma 100-300/4,5-6,7 entstanden ist, habe ich für eine Präsentationsmappe auf 24x30 cm Ilford IV MG-Fotopapier abgezogen (gebadet in Eukobrom). Das Ergebnis war sehr gut, es zeigte sich „kein Korn groß wie Hühnereier“, sondern blieb (auch wenn erkennbar) vornehm zurück.
Das zweite mal verwendete ich diesen Film bei der Hochzeitszeremonie von meiner Schwester und deren Bräutigan, um auch hier (in einer helleren Kirche) ausreichend Reserven zu haben, um aus der Hand fotografieren zu können. Entwickelt im Ultrafeinstkornentwickler Tetenal Neofin Blau läuft der Fuji Neopan 1600 Professional zur Höchstform auf und zeigt, was er kann. Das Korn wird für einen Film dieser Empfindlichkeitsstufe schon ordentlich feinkörnig. Die Aufnahme von meiner Schwester und deren Bräutigam in der Kirche einerseits (Canon EF 50/1,8 II), und meiner Lebensgefährtin im Cocktailkleid andererseits (Canon EF 100/2,0 USM) zeigen die Leistung vom Neopan 1600, entwickelt in Neofin blau, in den Bereichen Schärfe, Tonwertabstufungen, Kontrastumfang als auch Feinkörnigkeit
Damit zeigt der Neopan 1600 Professional einmal mehr, was mit moderner Filmtechnologie möglich ist. Der besagte Mythos erweist sich damit eher als Legende, an der zwar immer ein kleines bisschen Wahrheit dran ist, der größte Teil jedoch der Fantasie entspricht. Dieser höchstempfindliche Film ist deutlich besser als sein Ruf und die über ihn vorherrschenden Vorurteile. Es mag vielleicht sein, dass nicht jeder ein sichtbares Korn mag, jedoch steht dies in sehr gutem Verhältnis zu dem Lichtgewinn, den dieser Film mit sich bringt. Insgesamt sei an Fotografen appeliert, etwas Mut zu haben und diesen Film einmal zu testen. Ich verspreche, es lohnt sich.
Nur für Ilford Perceptol eignet sich der Neopan 1600 nicht. Weder Ilford noch Fuji raten zur Verwendung dieser Kombination, auch sämtliche Entwicklungszeitenrechner, die auf den Erfahrungen Ihrer Programmierer basieren, raten von dieser Kombi ab.
Und falls es wirklich mal knapp wird, oder der Fotograf aus gestalterischen Gründen bewusst Korn nutzen möchte (ich habe bei Aktaufnahmen von Jens Brüggemann gesehen, dass dies teilweise sehr gut wirken kann!!), kann dieser Film problemlos bis zu ASA 6.400 gepusht werden.
Fazit:
Ein Film nicht für jedermanns Geschmack (oder Mut), jedoch verdient er weder einen schlechten Ruf, noch die über so hochempfindliche Filme vorherrschenden Vorurteile. Bei gutem Kontrastumfang und toller Grauabstufung erhält man – in den richtigen Entwicklern gebadet – einen nicht sehr grobkörnigen Film, der den Fotografen mit enormen Lichtreserven beschenkt. Und dankt es mit sehr guten Ergebnissen.