ja, moderne und deutsche Haiku sind wohl sowieso noch mal eine andere Geschichte. In meinem Büchlein stehen Übersetzungen klassischer japanische Haiku, und ein Beiwort des Übersetzers, wahrscheinlich aus den 60ern, möglich dass das nur einen kleinen Bruchteil dessen umfasst, was Haiku wirklich sind. Z.B. das mit der obligatorischen Erwähnung der Jahreszeit (durch Kigo) wird heutzutage wohl schon lange nicht mehr so ernst genommen, genauso die genaue Silbenzahl in anderen Sprachen.
Habe auch so meine Probleme, das dann als Gedicht oder gar hohe Kunst zu sehen. Ist dann einfach ein kurzer Text mit Zeilenumbrüchen. (Ging mir beim Israel-Gedicht von Grass auch so)... habe mit Poesie aber auch nicht besonders viel am Hut.
Von der Darstellung her, so mein Buch, leiht der Haiku-Dichter einer Situation seine Stimme, und nimmt sich selbst dabei zurück. Wird dort auch ideologisch erklärt, mit Zen, Leere, Erleuchtung, und der Unmöglichkeit, diese Erleuchtung selbst aktiv herbeizuführen... also relativ harter Tobak. Ginge es um was altes Chinesisches, würde ich mir das mal sehr kritisch vornehmen, damals (also so vor 50-100 Jahren) gab es im Westen schon ein paar Leute, die das mit dem fernen Osten sehr "esoterisch" angegangen sind.
Auf die paar Haiku, die ich bisher gelesen habe (leider nur in Übersetzung, kann kein Japanisch), lässt sich das mit dem Situativen zumindest gut anwenden (also größtenteils). Und auch die Sprache (der Übersetzung... ) ist rel. klar.
Von der Wortwahl her wirken manche Deiner Gedichte auf mich etwas unklar. "zu saurem verpresst" ist für mich z.B. eher kryptisch. Dein Baumstumpf-mit-Nachwuchs Gedicht ist für mich ohne das Bild unverständlich (was ja auch gewollt sein kann).
Deine Dreizeiler scheinen mir auch eher assoziativ. Also Du leihst da einer Situation weniger die Worte, sondern schreibst, was Dir dazu einfällt. Was ja nichts schlechtes ist, weiß halt nicht, ob es dann noch Haiku sind. (wie gesagt, gut möglich, dass man das nicht doch machen kann, bin mit Sicherheit kein Haiku-Experte).
Deine Assoziation selbst kann natürlich auch eine Situation darstellen, der ich mal meine Worte leihen möchte.
Stacheldraht am Pfahl
Berthold denkt an Kühe -
frei durch Stacheldraht.
(mein erster und vermutlich auch letzter Versuch, ein Haiku zu dichten)
Also lass Dir den Spaß an der Sache auf keinen Fall verleiden! Wenn Du das einfach anders titulierst, kannst Du die Frage, ob das jetzt Haiku ist, oder nicht, elegant umschiffen. Obwohl es natürlich auch niemandem weh tut, wenn Du einen Dreizeiler Haiku nennst, der eigentlich keiner ist.