Berlin: Fotografieausstellung André Kertész
in Events 28.06.2011 22:51von oliver.k • Mitglied | 96 Beiträge
Im Feuilleton der FAZ war am 28.6. ein Artikel "Fotografie: André Kertész in Berlin". Im Martin-Gropius-Bau in Berlin sind bis 11. September die s/w-Fotografien dieses ungarischen Fotografen zu sehen.
Der Link zum Artikel: http://www.faz.net/-01y4gk
Da ich festgestellt habe, daß die Zeitungsartikel der FAZ nach einiger Zeit über die Links nicht mehr erreichbar sind, hier der Text des Artikels (sollte das nicht ok sein, bitte löschen).
Leider ist Berlin für mich weit weg, ich würde mir die Ausstellung sonst ansehen. Vielleicht mag jemand von Euch hingehen?
Viele Grüße, Oliver
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Fotografie: André Kertész in Berlin
Rätselhaftes Lebensspiel, von oben besehen
Seine Fotos zeigen menschliche Schicksale, auch wenn kein Mensch darauf zu sehen ist: Im Berliner Martin-Gropius-Bau wird das faszinierende Werk des Fotografen André Kertész, eines verbitterten Flaneurs, gezeigt.
Von Wilfried Wiegand
Ende der zwanziger Jahre betritt eine neue Figur die Bühne unserer kollektiven Phantasie: Kommissar Maigret. Um seine Fälle zu lösen, tut Maigret nicht immer, was Polizisten sonst in Romanen tun. Wie in Trance wandert er dann durch das jeweilige Milieu, lässt Menschen und Straßen, Geräusche und Gerüche auf sich wirken, bis irgendwann die kleine Welt, in die er als Fremder eingedrungen ist, ihm wie von allein ihre Geschichte erzählt.
Zur gleichen Zeit wie Maigret ist in Paris ein neuer Fotografentyp unterwegs, der es genauso macht: der Reporter. Viele davon gibt es Ende der zwanziger Jahre noch nicht, und die wenigen leben mehr schlecht als recht vom neuen Medium der komplett mit Fotos illustrierten Zeitschrift. Sie wird in Berlin erfunden, aber die Pariser Illustrierte „Vu“ wandelt das Vorbild ab, bis es so unverwechselbar französisch ist wie die Filme von René Clair oder die Chansons von Charles Trenet.
Das Foto wurde später weltberühmt: „Schwimmer unter Wasser” (Esztergom, 1917, Silbergelatine-Abzug, Gedruckt in den 1980er Jahren)
Die Pariser Reporter entdecken eine neue Welt, den unbekannten Kontinent der kleinen Leute. Später wird man dafür den Begriff „photographie humaniste“ verwenden - Fotografie der Menschlichkeit. Jeder kennt sie. Brassaï, Cartier-Bresson, Doisneau sind ihre Meister. Aber ihrer aller Vorbild ist André Kertész, er ist der Erfinder der Reportage als Stimmungskunst, er ist der Maigret der Fotografie.
Fremd und heimatlos
Im Martin-Gropius-Bau, immer noch Berlins bester Adresse für Fotografie, ist jetzt das Lebenswerk von Kertész zu sehen. Es ist ein Ereignis. In den großen hellen Räumen können sich die Bilder sogar noch besser, noch strahlender entfalten als bei der Pariser Premiere in den verschachtelten Kabinetten des Jeu de Paume.
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Kertész, in Budapest geboren, fotografiert seit 1912. Der Achtzehnjährige hat den unschuldigen Blick des Amateurs, der die Kunst der anderen einfach ignoriert. Der modische Piktorialismus lässt ihn kalt, er sucht Leben, nicht Kunst. Im Alltag entdeckt er den Schläfer am Caféhaustisch, den blinden Musiker an der Dorfstraße und das Licht der Laterne nachts auf dem Kopfsteinpflaster. Am interessantesten aus der ungarischen Periode sind aber die Sportaufnahmen, die den jüngeren Bruder zeigen, wie er schwimmend ins Wasser taucht. Eine dieser Aufnahmen soll später weltberühmt werden: ein genialer Schnappschuss von 1917, auf dem sich der Körper des Schwimmers in den Lichtreflexen der Wasseroberfläche aufzulösen scheint.
Für einen Brotberuf reicht das nicht, und da das antisemitische Klima des ungarischen Horthy-Regimes es ihm ohnehin schwermacht, eine Stelle zu finden, entschließt er sich, einem Freund nach Paris zu folgen. Im Herbst 1925 kommt Kertész dort an, ein paar Ersparnisse in der Tasche und im Herzen den tollkühnen Wunsch, unbedingt Fotograf zu werden. Tatsächlich bekommt er 1928 seinen ersten Auftrag von „Vu“, und im gleichen Jahr kauft er sich eine Leica, damals die modernste Kamera von allen. Keine ist schneller, keine geräuschloser, mit keiner lässt sich das Leben besser belauschen. Insgesamt sechsunddreißig seiner Bildgeschichten wird „Vu“ veröffentlichen, aus dem Amateur ist ein Profi geworden. Andere Zeitschriften in Paris, in München und Berlin interessieren sich für ihn, eine Pariser Galerie zeigt seine Fotos, und 1929 nimmt Kertész an der legendären Stuttgarter Ausstellung „Film und Foto“ teil. Aber kein Erfolg kann ihn von der Grundstimmung seines Lebens befreien, vom Gefühl, fremd und heimatlos zu sein. Bis zu seinem Tod, 1985 in New York, wird diese Melancholie ihn nicht mehr verlassen.
Wir nehmen seine Witterung auf
Kertész denkt mit der Kamera mit. Er lernt von ihr, lässt sich von ihr zu Blickwinkeln überreden, die dem unbewaffneten Auge niemals einfallen würden. Es gibt Perspektiven von ganz weit oben, wo die Häuser und Straßen aussehen wie Ornamente und die Menschen wie Figurinen in einem rätselhaften Lebensspiel. Und es gibt den Blick ganz aus der Nähe, wo das Gezeigte, wie die Tatwaffe in einem Hitchcock-Film, magisch vergrößert scheint, etwa die berühmte „Gabel“ von 1928. Der Kamera ist es auch egal, wenn die Dinge fragmentiert werden, und so entdeckt Kertész den Eiffelturm, wie dessen elegante Silhouette von einer groben Brückenkonstruktion brutal zerschnitten wird oder im Nebel zu versinken droht. Ganz nebenbei entdeckt er in seinen frühen Pariser Jahren die Künstlerwelt am Montparnasse. Auf kleinen Postkarten, die er verkauft oder verschenkt, entsteht eine Porträtgalerie der Bohème. Ihr Höhepunkt ist „Satiric Dancer“ von 1926: Die Tänzerin Magda Förstner, die sich im Atelier eines ungarischen Bildhauers auf der Couch verrenkt und die Pose einer Statuette veralbert, ist inzwischen zu einem Jahrhundertbild geworden, zur Visitenkarte der roaring twenties.
Er ist der Meister elliptischen Erzählens. Die Fotos von Kertész zeigen menschliche Schicksale, auch wenn kein Mensch darauf zu sehen ist: Stufen, auf denen keiner geht, Stühle, auf denen niemand sitzt, eine Beinprothese ohne den Benutzer, Schatten, losgelöst von ihrem Ursprung. Es sind Indizienbeweise für das Leben, das sich in der Parallelwelt der toten Dinge verbirgt. Oder die vier Postkartenfotos, auf denen er sich mit Mondrian beschäftigt. Nur eines zeigt, ganz konventionell, den Maler, aber die drei anderen, die viel aufregender sind, entwerfen sein spirituelles Porträt. Brille und Tabakpfeife, der Blick ins Atelier und der Durchgang zum Treppenhaus atmen die strenge Schönheit der Geometrie. Wir können Mondrian nicht sehen, aber wir nehmen seine Witterung auf, ahnen sein Puritanertum, spüren seine Nähe - so wie Maigret nur durch die Stimmung, die Atmosphäre den unbekannten Täter spürt.
Endlich werden die ungarischen Bilder entdeckt
Im Oktober 1936 emigriert Kertész mit seiner Frau nach New York und erlebt die Enttäuschung seines Lebens: Amerika kann mit seiner gefühlvollen Stimmungskunst nichts anfangen. Er lebt nun von Architekturaufnahmen für die Zeitschrift „House and Garden“, wird beim Kriegseintritt Amerikas als feindlicher Ausländer eingestuft, hat immer noch Sprachschwierigkeiten und bekommt zunehmend Probleme mit seiner Gesundheit. Einsamer als je, wird er abermals zum Flaneur, der nun die verborgene Schönheit New Yorks entdeckt: die einsame Wolke, die wie eine Erscheinung neben dem Hochhaus steht; das mächtige Empire State Building, wie es sich schwerelos in einer Pfütze spiegelt; oder das Ornament der Fußgänger, das Kertész, wie schon in Paris, nicht müde wird vom Fenster aus zu beobachten. Und immer wieder Menschen, die, ganz in ihre eigene Welt versunken, ihm unterwegs aufgefallen sind und deren schönste Schnappschussporträts er 1971 in seinem kostbaren kleinen Buch „On Reading“ versammelt hat.
Gleichzeitig mit dem Dasein als verbitterter Flaneur beginnt endlich seine Anerkennung als Kunstfotograf. Museumsleute in Paris und New York setzen sich für ihn ein, und als um 1970 die große Rehabilitierung des Mediums Fotografie erfolgt und sogar ein fotografischer Kunstmarkt entsteht, ist Kertész mit einem Mal ein Klassiker. Vorbei die Zeit der Auftragsarbeiten, von nun an wird sein Gesamtwerk bewundert. Die 1933 entstandene, bislang eher als Kuriosität bewertete Serie der „Distortions“, Zerrspiegel-Aufnahmen weiblicher Akte, erfährt eine glanzvolle Rehabilitierung. New Yorks Kunstszene feiert die radikal abstrahierten Körperbilder als große Kunst, rückt sie in die Nähe von Dalís Camenbert-Uhren und Picassos Matronen-Periode. Und endlich werden auch die ungarischen Bilder entdeckt, darunter der berühmte Schwimmer, den David Hockney sofort in seine eigene Bilderwelt integriert. Kertész ist in der Kunst der Moderne angekommen.
André Kertész. Im Martin-Gropius-Bau, Berlin; bis 11. September. Der hervorragende Katalog kostet im Museum 25 Euro, die Buchhandelsausgabe (Verlag Hatje Cantz) 49,80 Euro. Die Ausstellung geht anschließend vom 30. September bis zum 31. Dezember ins Magyar Nemzeti Múzeum, Budapest.
RE: Berlin: Fotografieausstellung André Kertész
in Events 10.11.2011 06:48von junkfood • Mitglied | 9 Beiträge
Hallo da bin ich auch schon wieder. Habe jetzt die Website des Künstlers gefunden und zwar lautet diese muenkel.eu. Schaut da mal rein da kann man alle Werke online besichtigen falls ihr nicht gerade in Berlin wohnt oder seid. Ist es ja mal sehr praktisch wie ich finde das ganze auch mal online zu sehen. Okay es sind jetzt keine Highlights aber trotzdem sind die Sachen schön. Also schaut es euch mal an und berichtet mal. ich freue mich :)
RE: Berlin: Fotografieausstellung André Kertész
in Events 10.11.2011 07:45von JochenDT • Mitglied | 937 Beiträge
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